Cybermobbing. Und nun?

[Foto: Chris Hübener]

Das Web 2.0 mit seinen vielfältigen Social-Network-Komponenten gehört längst zur Lebenswelt unserer Kids, und sie benutzen es mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie wir das Telefon.

Das ist gut und richtig. Doch es gibt Schattenseiten.

Cybermobbing ist ein Vorgang, der bei Jugendlichen weit etablierter ist als gemeinhin bekannt – auch wenn das nicht immer gleich so apostrophiert wird. Und das ist auch nicht so einfach – wer den Kids zuhört, wird erfahren, dass der Begriff Mobbing geradezu inflationär benutzt wird.

Dennoch:
Cybermobbing beschreibt eine oft sehr willkürliche und drastische Form von Mobbing innerhalb aller gängigen sozialen Netzwerke.

In Chats und Postings (die zu überwiegenden Teil öffentlich sind) gehen die Jugendlichen Altersgenossen oft verbal massiv und feige an: Herabsetzungen und Beleidigungen, sexuelle Anspielungen und andere persönliche Diskreditierungen brechen sich – in der (vermeintlichen) Anonymität des Netzes (Fake-Accounts etc.) – Bahn. Das Gegenüber dabei nicht unmittelbar vor sich haben zu müssen, macht es für die Initiatoren denkbar leicht. So zwingen sie die Betroffenen fast sofort in Hilflosigkeit, Außenseiterrollen und damit oft in eine tiefe, seelische Pein.

Die Empfindsamkeit der betroffenen Jugendlichen gerade in dieser ihrer besonderen Entwicklungsphase muss ich nicht erst betonen. Damit verknüpft sind sehr viele dramatische Einschnitte – gerade in bestehenden Gruppen (Schulklassen, Sportvereine, Konfis, etc.) sowie in Freundes- und Bekanntenkreisen. Schließlich ist es selbstverständlich, vernetzt zu sein. Und jeder weiß ja und liest mit….

Selten genug wird das öffentlich, selten genug finden die Betroffenen Ansprechpartner, denen sie soweit vertrauen, dass sie ihre Situation öffnen können und sich anvertrauen.

Doch wenn das so ist, sind wir per sofort zum Handeln verpflichtet: nicht nur aus Fürsorgepflicht um die uns Anvertrauten, sondern auch als Christen, die leben, was sie glauben. Als vertrauensvolle Vorbilder, die sich ernsthaft kümmern.

Aber was tun?
Aus meiner Erfahrung in der schulischen Arbeit habe ich etwas Wichtiges und sehr Elementares gelernt:
Mobbing kennt keine Unbeteiligten.

Es gibt jemanden, der Mobbing auslöst. Es gibt laute Mitläufer, die sich (aktiv) anschließen. Es gibt Beobachter, die sich aus gruppendynamischen Gründen leise den Mobbern anschließen (like!); es gibt stille Mitläufer, die nichts sagen (oft aus Angst, selbst gemobbt zu werden) und: es gibt jemanden, der Mobbing erdulden und ertragen muss. Vielleicht gibt es sogar auch jemanden, der dagegen Stellung bezieht.

Letztlich sind also alle in irgendeiner Form beteiligt.

In alledem gibt es zusätzlich sehr viele verschiedene Ebenen – jede mit eigenen Interessen: nicht zu vergessen die Eltern, die natürlich besorgt sind und leider oft auch sehr hilflos/überfordert und damit manchmal falsch reagieren.
Ich möchte damit deutlich machen, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Schon gar keine pauschalen. Sie müssen immer individuell sein. Immer.

Dennoch gibt es ein paar Richtlinien, an denen es sich sanft entlang hangeln lässt.

Engagieren. Wenn ich von einem „Mobbing“-Vorfall erfahre, muss ich ihn mit meiner (Lebens-) Erfahrung ernst nehmen. Immer. Wenn sich der Vorfall als haltlos und/oder harmlos entpuppt: Prima!
Hilfe und Vertrauen stehen an vorderster Stelle (Seelsorge?), und es gilt, vorsichtig das offene Gespräch mit dem Betroffenen zu suchen.
Mut machen. Mobbing ist immer falsch, immer egozentrisch und immer tief verletzend. Lasst den Betroffenen das wissen. Auch euer Engagement!
Öffentlich machen. Es gilt, klar Stellung zu beziehen und sich deutlich hinter den Betroffenen zu stellen.
Gespräch suchen (I). Am besten in der Gruppe: meine Erfahrung ist, dass Jugendliche häufig über ein größeres Unrechtsbewusstsein verfügen als so mancher Erwachsene. Dazu lassen sich gruppendynamische Prozesse als Korrektiv sehr gut verwenden.
Gespräch suchen (II). Auch mit den Mobbern. Mit den Initiatoren. Mit den Mitläufern und Schweigern. Offensiv. Redet über Rollenverteilungen und Gruppendruck.
Konfrontieren. Wenn es sich ergeben kann, konfrontiert den aktiven Mobber mit dem Betroffenen. Möglicherweise lassen sich face to face im angeleiteten Gespräch Auswege finden.
Protokollieren. Wenn weiter gemobbt wird, bittet den Betroffenen (und seine Eltern), sofort Screenshots von Nachrichten zu machen (die oft gleich nach Veröffentlichung wieder vom Verursacher gelöscht werden) oder ggf. Text-Dateien (Herkunft! Datum! Uhrzeit! Versender!) anzufertigen. Im schlimmsten Fall ist Mobbing auch strafrechtlich relevant!
Hilfe von außen suchen. Sprecht mit zuständigen Stellen, Sozialarbeitern, Jugendämtern, Schulpsychologen, ggf. auch mit der Polizei.

Aber nehmt es ernst. Bitte.

@chris_huebener