Einige Praxisbeispiele im Überblick

Martin Luther schreckte nicht vor modernen Medien zurück. Die damals brandneue Erfindung des Buchdrucks ermöglichte die Verbreitung seiner Reformations-Gedanken. Heutzutage leben wir abermals in einer medialen Revolution: Das Internet bietet unzählige Möglichkeiten, viele Menschen mit wenig Aufwand zu erreichen. Gläubige vernetzen, Glauben verbreiten, christliche Werte vermitteln – wie nutzen Pfarrer, Gemeinden und Kirchen diese neuen Chancen?

via Verkündigung 2.0 – Mission mit modernen Medien 

Dieser Übersichtsartikel auf evangelisch.de beinhaltet jede Menge Anregungen aus der kirchlichen Praxis, wie die sozialen Medien und Netzwerke genutzt werden können – natürlich nur angerissen, aber es ist ja ohnehin sehr personen- und situationsabhängig, wie solche Ideen anderswo aufzunehmen und umzusetzen sind.

Als da wären:
– Pfarrer/innen-Blogs
– Online-Materialsammlungen für Konfis
– Interaktive Online-Gottesdienste bzw. Online-Andachten
– Online-Gebetbuch
– YouTube in der Konfi-Arbeit
– Bibellese auf Facebook
– Jesus-Schnitzeljagd für Konfis auf Facebook
– Konfi-Unterricht mit Twitter
– (Facebook-)Chat-Seelsorge
u.v.m.

Cybermobbing. Und nun?

[Foto: Chris Hübener]

Das Web 2.0 mit seinen vielfältigen Social-Network-Komponenten gehört längst zur Lebenswelt unserer Kids, und sie benutzen es mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie wir das Telefon.

Das ist gut und richtig. Doch es gibt Schattenseiten.

Cybermobbing ist ein Vorgang, der bei Jugendlichen weit etablierter ist als gemeinhin bekannt – auch wenn das nicht immer gleich so apostrophiert wird. Und das ist auch nicht so einfach – wer den Kids zuhört, wird erfahren, dass der Begriff Mobbing geradezu inflationär benutzt wird.

Dennoch:
Cybermobbing beschreibt eine oft sehr willkürliche und drastische Form von Mobbing innerhalb aller gängigen sozialen Netzwerke.

In Chats und Postings (die zu überwiegenden Teil öffentlich sind) gehen die Jugendlichen Altersgenossen oft verbal massiv und feige an: Herabsetzungen und Beleidigungen, sexuelle Anspielungen und andere persönliche Diskreditierungen brechen sich – in der (vermeintlichen) Anonymität des Netzes (Fake-Accounts etc.) – Bahn. Das Gegenüber dabei nicht unmittelbar vor sich haben zu müssen, macht es für die Initiatoren denkbar leicht. So zwingen sie die Betroffenen fast sofort in Hilflosigkeit, Außenseiterrollen und damit oft in eine tiefe, seelische Pein.

Die Empfindsamkeit der betroffenen Jugendlichen gerade in dieser ihrer besonderen Entwicklungsphase muss ich nicht erst betonen. Damit verknüpft sind sehr viele dramatische Einschnitte – gerade in bestehenden Gruppen (Schulklassen, Sportvereine, Konfis, etc.) sowie in Freundes- und Bekanntenkreisen. Schließlich ist es selbstverständlich, vernetzt zu sein. Und jeder weiß ja und liest mit….

Selten genug wird das öffentlich, selten genug finden die Betroffenen Ansprechpartner, denen sie soweit vertrauen, dass sie ihre Situation öffnen können und sich anvertrauen.

Doch wenn das so ist, sind wir per sofort zum Handeln verpflichtet: nicht nur aus Fürsorgepflicht um die uns Anvertrauten, sondern auch als Christen, die leben, was sie glauben. Als vertrauensvolle Vorbilder, die sich ernsthaft kümmern.

Aber was tun?
Aus meiner Erfahrung in der schulischen Arbeit habe ich etwas Wichtiges und sehr Elementares gelernt:
Mobbing kennt keine Unbeteiligten.

Es gibt jemanden, der Mobbing auslöst. Es gibt laute Mitläufer, die sich (aktiv) anschließen. Es gibt Beobachter, die sich aus gruppendynamischen Gründen leise den Mobbern anschließen (like!); es gibt stille Mitläufer, die nichts sagen (oft aus Angst, selbst gemobbt zu werden) und: es gibt jemanden, der Mobbing erdulden und ertragen muss. Vielleicht gibt es sogar auch jemanden, der dagegen Stellung bezieht.

Letztlich sind also alle in irgendeiner Form beteiligt.

In alledem gibt es zusätzlich sehr viele verschiedene Ebenen – jede mit eigenen Interessen: nicht zu vergessen die Eltern, die natürlich besorgt sind und leider oft auch sehr hilflos/überfordert und damit manchmal falsch reagieren.
Ich möchte damit deutlich machen, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Schon gar keine pauschalen. Sie müssen immer individuell sein. Immer.

Dennoch gibt es ein paar Richtlinien, an denen es sich sanft entlang hangeln lässt.

Engagieren. Wenn ich von einem „Mobbing“-Vorfall erfahre, muss ich ihn mit meiner (Lebens-) Erfahrung ernst nehmen. Immer. Wenn sich der Vorfall als haltlos und/oder harmlos entpuppt: Prima!
Hilfe und Vertrauen stehen an vorderster Stelle (Seelsorge?), und es gilt, vorsichtig das offene Gespräch mit dem Betroffenen zu suchen.
Mut machen. Mobbing ist immer falsch, immer egozentrisch und immer tief verletzend. Lasst den Betroffenen das wissen. Auch euer Engagement!
Öffentlich machen. Es gilt, klar Stellung zu beziehen und sich deutlich hinter den Betroffenen zu stellen.
Gespräch suchen (I). Am besten in der Gruppe: meine Erfahrung ist, dass Jugendliche häufig über ein größeres Unrechtsbewusstsein verfügen als so mancher Erwachsene. Dazu lassen sich gruppendynamische Prozesse als Korrektiv sehr gut verwenden.
Gespräch suchen (II). Auch mit den Mobbern. Mit den Initiatoren. Mit den Mitläufern und Schweigern. Offensiv. Redet über Rollenverteilungen und Gruppendruck.
Konfrontieren. Wenn es sich ergeben kann, konfrontiert den aktiven Mobber mit dem Betroffenen. Möglicherweise lassen sich face to face im angeleiteten Gespräch Auswege finden.
Protokollieren. Wenn weiter gemobbt wird, bittet den Betroffenen (und seine Eltern), sofort Screenshots von Nachrichten zu machen (die oft gleich nach Veröffentlichung wieder vom Verursacher gelöscht werden) oder ggf. Text-Dateien (Herkunft! Datum! Uhrzeit! Versender!) anzufertigen. Im schlimmsten Fall ist Mobbing auch strafrechtlich relevant!
Hilfe von außen suchen. Sprecht mit zuständigen Stellen, Sozialarbeitern, Jugendämtern, Schulpsychologen, ggf. auch mit der Polizei.

Aber nehmt es ernst. Bitte.

@chris_huebener

Praxisbeispiel: Jugend-Seelsorge im Social Web

Am Nachmittag des ersten Fortbildungstages schilderte uns Pfarrer Christopher Markutzik (Altenglan) seine Erfahrungen mit Jugendlichen und ihren seelsorglichen Anliegen auf Facebook. Ich möchte zu seiner prägnanten Präsentation, die nachfolgend eingebunden ist, an dieser Stelle eine leider notwendige ergänzende Vorbemerkung anbringen.

Das EKD-Seelsorgegeheimnisgesetz formuliert in §11:

Seelsorge mit technischen Kommunikationsmitteln

Soweit Seelsorge mit technischen Kommunikationsmitteln ausgeübt wird, haben die jeweilige kirchliche Dienststelle oder Einrichtung und die in der Seelsorge tätige Person dafür Sorge zu tragen, dass die Vertraulichkeit in höchstmöglichem Maß gewahrt bleibt.

Das verbietet es kirchenrechtlich, auf Facebook seelsorglich tätig zu sein. Denn die Inhalte der Seelsorge-Kommunikation auf Facebook lagern als personenbezogene Daten auf einem ausländischen Server. Und dies widerspricht kirchlichem Datenschutzrecht. Diese Position vertritt Ralf Peter Reimann in einem Blogeintrag, der eine Kommentardiskussion auslöste, die ich ebenfalls zu lesen empfehle.

Wer sich als Pfarrerin oder Pfarrer in den sozialen Netzen bewegt, der wird über kurz oder lang auch mit seelsorglichen Anliegen konfrontiert, ob er sie nun aktiv sucht (durch Nachhaken bei entsprechenden Statusmeldungen, wie es Christopher Markutzik tut) oder ob sie per Facebook-Chat an ihn herangetragen werden. Ich persönlich will mir zur Regel machen, so früh wie möglich die Kommunikation über einen sichereren Weg anzubieten und den Grund kurz zu erläutern. Ein konkreter Fall verlief bei mir dann so, dass die Kommunikation sich zunächst auf einige wenige E-Mails verlagerte, die Person mich nach einer zweiwöchigen Unterbrechung aber wieder über Facebook anschrieb. Dann nicht zu antworten, ist meines Erachtens auch keine Lösung …

Und ich frage mich auch, ob damit die Anforderung des Seelsorgegeheimnisgesetzes nicht im Grunde erfüllt ist: Wenn wir jemanden schon bei Kontaktaufnahme auf die Unsicherheit des gewählten Kommunikationsmittels hinweisen, ein sichereres anbieten, beides auch danach noch hin und wieder tun, derjenige aber dennoch bei diesem Medium bleibt – haben wir dann nicht alles getan, was uns möglich war, um „dafür Sorge zu tragen, dass die Vertraulichkeit in höchstmöglichem Maß gewahrt bleibt“? Ich denke, das kirchliche Datenschutzrecht und das Seelsorgegeheimnisgesetz stammen aus einer Zeit, zu der diese speziellen Fälle noch gar nicht im Blick waren. Es dürfte vor allem darum gegangen sein, Gesprächsprotokolle, persönliche Datensätze etc. nicht aktiv selbst zu irgendwelchen Speicherdiensten im Netz hochzuladen. Oder?

Wenn es auf chatseelsorge.de unter Mail-Seelsorge heißt …

„Ich behandele Ihre Mails vertraulich. Allerdings muss ich Sie darauf hinweisen, dass die Übertragungswege im Internet nicht absolut sicher sind. Ich kann nicht vollständig ausschließen, dass Mails von Unbefugten mitgelesen werden.“

… ist man dann damit kirchenrechtlich auf der sicheren Seite, diese Form der Seelsorge aktiv anzubieten?

So viel zur Problematisierung und Sensibilisierung, aber hier nun Christopher Markutziks lesenswerte Gedanken und Erfahrungen zum Online-Gespräch mit Jugendlichen:

Jugend-Seelsorge im Social Web (auf SlideShare)